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Karen Nieber beschäftigt sich in ihrem Artikel mit den klinischen Studien zur Anwendung pflanzlicher Arzneimittel bei Kindern und verschafft so einen Überblick zur vorliegenden Literatur. Hierfür analysierte sie 133 Studien, die zu etwa zwei Dritteln aus China (37), Deutschland (19), den USA (12) und Russland (12) sowie Großbritannien (4) stammen. Das restliche Drittel stammt aus Ländern, in denen maximal zwei Studien durchgeführt wurden.

Alle Studien waren randomisiert, ein Drittel zusätzlich doppelt verblindet. 16 Prozent der Studien wurden multizentrisch und 13 Prozent als Vergleichsstudie durchgeführt. Die größte Altersgruppe waren Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren (39 Prozent), gefolgt von Vorschulkindern zwischen zwei und fünf Jahren (26 Prozent).

Schwerpunkte der Studien waren die Supportivtherapie bei Erkältungskrankheiten, Erkrankungen der unteren Atemwege, Pflege empfindlicher Haut, sowie die Behandlung von entzündeter Haut, von Wunden und stumpfen Traumen, bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie bei psychosomatischen Störungen.
 
Die am häufigsten untersuchten Pflanzen waren Efeu (Hedera helix, 5 Studien), Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides, 4), Großfrüchtige Moosbeere (Vaccinium macrocarpon, 4), Ginkgo (Ginkgo biloba, 3), Kalmegh (Andrographis paniculata, 3), Tragant (Astragalus membranaceus, 3) und Knoblauch (Allium sativum, 3).
 
Ein wichtiges Thema waren auch die mit Arzneimitteln applizierten Alkoholmengen. Hier kann jedoch Entwarnung gegeben werden:
In 17 pro- und retrospektiven Studien mit insgesamt 50.316 Kindern bis zu einem Alter von zwölf Jahren anhand zehn pflanzlicher Präparate, deren Alkoholgehalt zwischen 0,03 und 0,23 Gramm je Anwendung lag, konnten lediglich 15 unerwünschte Nebenwirkungen beobachtet werden, wovon keine auf den Alkoholgehalt zurückgeführt werden konnte. Die aufgenommenen Alkoholmengen lagen sogar unter der Dosis an Ethanol, die mit vielen natürlichen Lebensmitteln aufgenommen wird (bspw. Apfelsaft).
 
Mit Arzneipflanzen in der Stillzeit befasst sich Beatrix Falch und versucht eine Bewertung. Hierzu hat sie Pubikationen in Datenbanken wie PubMed sowie die Assessment Reports des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Medizinagentur (EMA) analysiert. Anschließend wurden die Ergebnisse mit dem dokumentierten traditionellen Wissen sowie den Praxiserfahrungen aus verschiedenen Diskussionsforen sowie der Literatur verglichen.
 
Heraus kam eine Liste von Drogen zur Anwendung im Wochenbett und in der Stillzeit:
- Anisfrüchte (Pimpinella anisum): Anregung der Milchbildung
- Beinwellblätter, -wurzeln (Symphytum officinalis): Brustwarzenentzündung
- Brennnesselblätter (Urtica dioica, U. urens): Anregung der Milchbildung, Eisenmangel
- Dillfrüchte (Anethum graveolens): Anregung der Milchbildung
- Eisenkraut (Verbena officinalis): Anregung der Milchbildung
- Fenchelfrüchte (Foeniculum vulgare): Anregung der Milchbildung
- Frauenmantelkraut (Alchemilla vulgaris): Blutstillung im Wochenbett, Brustwarzenentzündung
- Gänseblümchenkraut (Bellis perennis): Gebärmutterrückbildung
- Geissrautenkraut (Galega officinalis): Anregung der Milchbildung
- Herzgespannkraut (Leonurus cardiaca): Beruhigung
- Himbeerblätter (Rubus idaeus): Blutstillung im Wochenbett
- Hirtentäschelkraut (Capsella bursa-pastoris): Blutstillung im Wochenbett
- Hopfenzapfen (Humulus lupulus): Beruhigung, Schlafförderung
- Johanniskraut (Hypericum perforatum): Wochenbettdepression
- Kamillenblüten (Matricaria chamomilla): Wundheilung nach Dammschnitt
- Kümmelfrüchte (Carum carvi): Anregung der Milchbildung
- Majoranblätter (Origanum vulgare): Anregung der Milchbildung
- Melissenblätter (Melissa officinalis): Anregung der Milchbildung, Beruhigung, Schlafförderung
- Pfefferminzblätter (Mentha x piperita): Reduktion der Milchmenge
- Ringelblumenblüten (Calendula officinalis): Wundheilung nach Dammschnitt, Brustwarzenentzündung
- Salbeiblätter (Salvia officinalis; S. triloba): Reduktion der Milchmenge, Brustwarzenentzündung
- Schafgarbenblätter (Achillea millefolium): Blutstillung im Wochenbett, Brustwarzenentzündung
- Zaubernussrinde bzw. Hamameliswasser (Hamamelis virginiana): Wundheilung nach Dammschnitt, Brustwarzenentzündung
(Bei einigen dieser Pflanzen wie bspw. Beinwell oder Johanniskraut sind verschiedene Anwendungshinweise zu beachten!)
 
Wolfgang Kamin bearbeitete den Bereich Erkältungskrankheiten und fragt: Wie viel Antibiotika brauchen wir? 90 Prozent aller akuten Infektionen der oberen und unteren Atemwege weltweit haben eine virale Ursache, Antibiotika sind hier also wirkungslos. Dennoch werden Antibiotika sehr häufig verschrieben, wie bspw. eine in Deutschland, Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden durchgeführte Kohortenstudie zeigt, wo insbesondere Kinder unter vier Jahren eine überdurchschnittlich hohe Antibiotika-Verschreibungsrate hatten.
 
Als Alternative bei viralen Atemwegserkrankungen nennt er Extrakte oder Öle aus Kapland-Pelargonie, Thymian, Primel, Eukalyptus und Efeu.
 
Ein Thema, mit dem sich schon überraschend viele Studien befasst haben, ist der Einsatz der Phytotherapie bei AD(H)S. Das hat auch Karen Nieber in ihrer Analyse herausgestellt. Walter Dorsch behandelt in seinem Artikel pflanzliche Sedativa bei unruhigen Kinder, basierend auf Erfahrungen aus der Praxis. Er weist deutlich darauf hin, dass beim Säugling eine ausführliche Anamnese und sorgfältige Untersuchung oft ohne spezifisches Ergebnis bleibt und daher erst einmal unspezifische Maßnahmen ergriffen werden, um das Kind zu beruhigen. Einige dieser Maßnahmen, wie bspw. feste Rituale, gehören in den Bereich der Ordnungstherapie.
 
Als Einschlafhilfe empfiehlt er u. a. Melissenbad, Baldriantropfen und eventuell ein Hopfenkissen. Bei Blähungen und Bauchschmerzen nennt er Kümmelöl und Windsalben, die äußerlich angewendet werden können.
 
Bei Schulkindern sieht Dorsch wenig Potenzial für die Phytotherapie und verweist auf andere Möglichkeiten der Naturheilkunde wie die Ordnungstherapie oder Entspannungsübungen. Bei eindeutig vorliegendem AD(H)S kann eine (pflanzliche) Medikation nie die einzige Therapie sein.
 
Er nennt zwei Teerezepturen zur adjuvanten Anwendung bei Unruhe:
- Baldrianwurzel (40 g), Passionsblumenkraut (30 g) und Melissenblätter (30 g)
- Baldrianwurzel (20 g), Hopfenzapfen (10 g), Fenchelsamen (angestoßen, 10 g), Lavendelblüten (10 g)
(Bei der Baldrianwurzel ist ein Kaltauszug vorzunehmen, dieser darf nachfolgend nur aufgewärmt, aber nicht gekocht werden.)
 
Die einzelnen Artikel sind in der "Schweizerischen Zeitschrift für Ganzheitsmedizin" erschienen und online frei im Volltext verfügbar:
https://www.karger.com/Journal/Issue/271391

Hinweis:
Die hier genannten Anwendungsgebiete beziehen sich auf die Schweiz. In der Europäischen Union und deren Einzelstaaten können andere Voraussetzungen vorliegen. Ebenso soll diese Zusammenstellung lediglich Möglichkeiten aufzeigen und allenfalls zu einer weiteren Beschäftigung mit diesen animieren. Vor unreflektierter Übernahme auf konkret vorliegende Beschwerden gerade bei Kindern ist daher zu warnen.

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