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Wer ADS bzw. ADHS als erfunden oder konstruiert bezeichnet, der sitzt in erster Linie der esoterischen Propaganda eines mehr als umstrittenen Buchverlags sowie einer fragwürdigen Consulting-Agentur aus der Schweiz auf. Diese verdienen mit solchen Verschwörungstheorien ihr Geld. Als Kronzeuge wird hier gerne Leon Eisenberg angeführt, der 2009 im Alter von 87 Jahren behauptet haben soll, er hätte ADHS erfunden. Tatsache ist, dass Eisenberg zusammen mit seinem Kollegen Mike Rutter ADS/ADHS 1967 bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als anerkannte Erkrankung durchgesetzt hatte. Eisenberg war jedoch später der Meinung, dass genetische Faktoren einen weitaus geringeren Einfluss hätten als etwa die Erziehung. Diese Diskussion ist bis heute nicht abgeschlossen, es wird weiter geforscht. Eisenberg zweifelte aber nie die Existenz der psychischen Störung als solche an, allenfalls kritisierte er Diagnoseverfahren und Therapien - ein in der Wissenschaft vollkommen normaler und notwendiger Vorgang.

Auch Frau Professor Ulrike Lehmkuhl, Kinderärztin an der Charité in Berlin, wird gerne mit der Aussage zitiert, sie halte 90 Prozent aller ADHS-Diagnosen für falsch. Im kompletten Zitat meint sie jedoch nicht, dass folglich neun von zehn dieser Kinder gesund seien, sondern dass diese andere psychische Erkrankungen oder Verhaltensstörungen hätten. Dies ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie Aussagen gekürzt und komplett aus dem Zusammenhang gerissen werden, um eine dem eigenen Weltbild entsprechende Wirkung zu erzielen.

Was aber die bekannten Propaganda-Schleudern vollkommen verschweigen, ist die Tatsache, dass ADS und ADHS schon vor über 200 Jahren von mehreren Autoren beschrieben wurden. Als erster wissenschaftlcher Beitrag gilt der von Melchior Adam Weikard 1773 verfasste Artikel "Mangel der Aufmerksamkeit (Attentio volubilis)", der ein Kapitel seines Werkes "Der Philosophische Arzt" bildete. Weikard war u.a. in Bad Brückenau, Mannheim, Heilbronn sowie am russischen Hof von Katharina der Großen tätig.

1798 folgte ein Buch des schottischen Arztes Sir Alexander Crichton mit dem Titel "An Inquiry into the Nature and Origin of Mental Derangement". Seine Beschreibung war bereits wesentlich detaillierter als die von Weikard. Im 19. Jahrhundert haben sich Psychologen wie der US-Amerikaner William James mit dem Thema beschäftigt, im frühen 20. Jahrhundert vor allem der Brite Sir George Frederic Still.

Kritik an Diagnose und Therapie von ADS und ADHS ist richtig und wichtig. Gerade als Würzburger wissen wir das nur zu gut, denn wir leben in der "ADHS-Welthauptstadt", was auf ein besonders dichtes Netz an Kinderpsychologen in und um Würzburg zurückzuführen ist. Ähnliche Auswüchse gibt es auch in Erlangen, Speyer oder Mannheim. Das muss man kritisch hinterfragen. Ein Leugnen oder Verdrängen der Erkrankung hilft dabei jedoch nicht weiter.

Lesetipp:
ADHS: Durchaus ein gesellschaftliches Problem!
Von Prof. Dr. Roland Stein und Philipp Abelein, Universität Würzburg.

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