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Der Echte Salbei ist die Arzneipflanze des Jahres 2023

Der Echte Salbei gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Lippenblütlern und wird seit Jahrhunderten als pflanzliches Arzneimittel genutzt. Zu den Anwendungsgebiteten zählen leichte dyspeptischen Beschwerden (Sodbrennen, Blähungen), vermehrte Schweißsekretion sowie äußerlich die symptomatische Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenbereich und die Behandlung leichter Hautentzündungen.

Aufgrund seiner reichhaltigen Nutzung in Geschichte und Gegenwart und dem großen Potential für weitere Forschung wählt der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde den Echten Salbei zur Arzneipflanze des Jahres 2023.



Botanik

Der Echte Salbei (Salvia officinalis) ist ein stark aromatisch riechender Halbstrauch mit einer Wuchshöhe von 60 bis 80 cm. Der aufrechte, in Bodennähe verholzende Stängel trägt viele abstehend-filzig-behaarte Seitenäste mit einfach gebauten, langgestielten Blättern, die charakteristisch unterseits weißfilzig behaart sind. Von Mai bis Juli zeigen sich Blüten in Weiß über Rosa bis Blauviolett, die als fünf- bis zehnblütige Scheinquirlen angeordnet sind.


Geschichte

Die medizinische Verwendung von Salbei in Europa reicht bis weit ins Altertum zurück, allerdings standen damals noch andere Arten aus der mit etwa 1000 Arten sehr umfangreichen Gattung im Vordergrund. So findet sich der Griechische Salbei (Salvia fruticosa) bereits auf einem rund 3500 Jahre alten Fresko im Palast von Knossos. Auch der Apfeltragende Salbei (Salvia pomifera), der Buntschopf-Salbei (Salvia viridis) und der Ungarn-Salbei (Salvia aethiopis) lassen sich im Altertum greifen. Es ist zudem wahrscheinlich, dass der Echte Salbei spätestens in römischer Zeit verwendet wurde, da in Norditalien – im Gegensatz zu Griechenland – größere Wildvorkommen existieren.

Der lateinische Name 'salvia' wird auf das Adjektiv 'salvus' zurückgeführt, das für gesund, heil, unbeschädigt, unverletzt, unversehrt und wohlbehalten stehen kann. Dieser Name findet sich neben den älteren griechischen Bezeichnungen 'sphakos' und 'elelisphakos' bereits im 1. Jahrhundert in der Arzneimittellehre von Dioskurides und der Naturkunde von Plinius, bezeichnete aber bereits damals mehrere optisch ähnliche Arten. Im späteren christlichen Kontext muss auch das Verb 'salvare' (retten) berücksichtigt werden (vgl. 'salvator' für Christus, den Retter, Heiler).

Eine größere Rolle spielte der Echte Salbei dann in der Klostermedizin des frühen und hohen Mittelalters. Walahfrid Strabo (807—849), Abt des Klosters auf der Reichenau im Bodensee, beschreibt ihn in seinem Lehrgedicht über den Anbau von Heilpflanzen gleich zu Beginn. Hildegard von Bingen widmet dem Salbei rund 300 Jahre später in ihrer Naturkunde eines der umfangreichsten Kapitel und nennt acht verschiedene Anwendungsgebiete von Mundgeruch über Appetitlosigkeit bis hin zu Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Blutungen. Anzunehmen ist, dass damals neben dem kultivierten Echten Salbei auch der wilde Wiesensalbei (Salvia pratensis) gesammelt wurde, da beide noch in der Frühneuzeit parallel verwendet wurden.

Im Spätmittelalter galt der Salbei sogar als ein Alheilmittel. Zu den meistgelesenen Kurztraktaten der mittelhochdeutschen Literatur zählt ein sg. Wunderdrogentraktat, in dem mehrere Dutzend Indikationen für verschiednene Zubereitungen aus Salbei aufgeführt werden.

In der Renaissance besannen sich die Väter der Botanik auf die griechisch-römische Antike und übertrugen die bei Dioskurides genannten Anwendungen auf die heimisch verfügbaren Arten. Leonhart Fuchs schrieb den Echten Salbei in seinen Kräuterbüchern (1542/43) menstruationsfördernde Eigenschaften zu und nannte die Behandlung von Husten sowie äußerlich bei Wunden und Juckreiz. Diese Anwendungen waren bis ins 20. Jahrhundert üblich.


Moderne

Salbeiblätter enthalten Bakterien hemmende Stoffe in ihrem ätherischen Öl und den Gerbstoffen. Bislang galt nur das ätherische Öl als virenhemmend, aber die Gerbstoffe hemmen ebenfalls zumindest Viren mit empfindlicher Eiweißoberfläche (wie z. B. SARS-CoV-2). Ferner zeigten Auszüge aus Salbeiblättern im Laborversuch entzündungshemmende Eigenschaften. Eine Hustenreiz lindernde Wirkung konnte im Tierversuch beobachtet werde, ebenso eine krampflösende Wirkung auf die Muskulatur des Magen-Darm-Trakts.

Neuerdings wurde eine Hemmung der Acetylcholinesterase durch verschiedene Salbei-Arten gezeigt, was für die Behandlung von Alzheimer-Demenz interessant werden könnte. Hierzu ist jedoch weitere Forschung notwendig, vor allem Untersuchungen am gesunden und kranken Menschen.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat zuletzt 2017 für bestimmte Produkte (wie Tee oder Extrakten) aus Salbeiblättern aufgrund langjähriger Verwendung ohne ausreichende klinische Belege folgende traditionelle Anwendungsgebiete anerkannt: Leichte dyspeptische Beschwerden wie Sodbrennen und Völlegefühl, Linderung von starkem Schwitzen, Linderung von Entzündungen im Mund oder Rachen, äußerlich lokal zur Linderung von leichter Hautentzündung.

Vor einer innerlichen Anwendung des reinen ätherischen Öls warnen jedoch die Behörden aufgrund der Gefahr toxischer Wirkungen durch die Inhaltsstoffe Campher und Thujon.

Neuere klinische Studien bestätigen die historische Anwendung von Salbeiblättern gegen Schwitzen im Zusammenhang mit menopausalen Beschwerden und sogar bei Hitzewallungen von Männern nach antiandrogener Therapie. In Kombination mit Echinacea zeigte ein Spray mit Salbei eine ebenso gute Linderung von entzündetem Hals wie ein entsprechender Spray mit chemischen Desinfektionsmittel und Schmerzmittel. In einer iranischen Studie ergab sich eine Linderung von Beschwerden bei prämenstruellem Syndrom.

Einige Studien zeigen eine den Stoffwechsel fördernde Wirkung bei Patienten mit zu hohen Fett- bzw. Cholesterinwerten – auch bei Zuckerkrankheit und bei Polyzystischem Ovar-Syndrom.

Die antiinfektiöse Wirkung von Salbei konnte bei lokaler Behandlung von vaginalem Pilzbefall gezeigt werden.

In der Aromatherapie werden eher ätherische Öle anderer Salbei-Arten eingesetzt, etwa des angenehm würzig duftenden Muskateller-Salbeis (Salvia sclarea). In einer klinischen Studie konnte durch Inhalation eine Schmerz- und Brechreiz lindernde Wirkung nach kleinen Operationen gezeigt werden. Einreibungen des Bauches mit dem Öl des Muskateller-Salbeis zeigten in zwei weiteren klinischen Studien eine mit Lavendelöl oder Rosenöl vergleichbare Wirksamkeit bei krampfartigen Menstruationsbeschwerden.

Zusammenfassend ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich durch weitere klinische Studien über Salbeiblätter altbewährte und neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Leider ist eine solche Forschung wegen dem hohen administrativen Aufwand üblicher klinischen Arzneimittelstudien und fehlender öffentlicher Förderung in Europa kaum durchführbar und läuft hingegen in Staaten wie dem Iran und China, teilweise werden dort allerdings andere Arten verwendet.


Der Studienkreis

Der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde kürt seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres. Vorrangiges Ziel ist es, an die lange und gut dokumentierte Geschichte von Pflanzen in der europäischen Medizin zu erinnern. Aus dieser Geschichte können wichtige Hinweise für eine pharmazeutische und medizinische Nutzung altbekannter Heilpflanzen extrahiert werden.

Gegründet wurde der Studienkreis 1999 an der Universität Würzburg unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Franz-Christian Czygan († 2012) und Dr. Johannes Gottfried Mayer († 2019). Heute gehören der Jury Mediziner, Pharmazeuten, Biologen und Historiker verschiedener Hochschulen und Institutionen an.

Bisherige Arzneipflanzen des Jahres:
2022: Mönchspfeffer, 2021: Myrrhe, 2020: Echter Lavendel, 2019: Weißdorn, 2018: Andorn, 2017: Saat-Hafer, 2016: Echter Kümmel, 2015: Echtes Johanniskraut, 2014: Spitzwegerich, 2013: Große Kapuzinerkresse, 2012: Süßhölzer, 2011: Passionsblume, 2010: Gemeiner Efeu, 2009: Fenchel, 2008: Gewöhnliche Rosskastanie, 2007: Echter Hopfen, 2006: Echter Thymian, 2005: Gartenkürbis, 2004: Pfefferminze, 2003: Artischocke, 2002: Stechender Mäusedorn, 2001: Echte Arnika, 1999/2000: Buchweizen.

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